kritik am auto
Das Buch kritik am auto erschien 1984 als begleitende Publikation zu einer Ausstellung, die Aicher in Zusammenarbeit mit der Bayrischen Rück gestaltet hat. Dies ist insofern bemerkenswert, da sie gleichzeitig das Ende einer mehr als zehnjährigen Zusammenarbeit Aichers mit BMW einläutete. Eva Moser betitelte in ihrer Monographie das entsprechende Kapitel 14: „Otl Aicher und BMW – eine schwierige Liebe“ (S. 242).
Darin führt sie aus, dass die Zusammenarbeit Aichers mit BMW unter anderem auch durch die räumliche Nähe des Firmensitzes zum Olympiagelände in München und den Erfolg Aichers als Gestaltungsbeauftragtem begründet waren. Hinzu kam, dass Otl Aicher „bekennender BMW-Fan“ und selbst begeisterter Motorradfahrer war. Zudem war der Auftrag wirtschaftlich attraktiv und wie so häufig in seinem Leben durch persönliche Bekanntschaft und Freundschaft zum damaligen Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Horst Avenarius getragen. Zu Beginn der Zusammenarbeit stand ein Konzept für die komplette Neugestaltung der Geschäftsberichte der BMW AG. Wer Aicher kennt, erkennt sogleich, dass dieser sich nicht damit begnügen wollte, Geschäftsberichte zu gestalten, sondern zunehmend auch das Corporate Design und am liebsten auch noch das Design der Fahrzeuge und der Firmenarchitektur für sein Büro beanspruchte:
an BMW liebe ich eine art technischer ethik, die spitzenleistung nicht um der spitzenleistung willen sucht, sondern um des gebrauchs willen.
Gleichzeitig sparte er auch gegenüber BMW nicht an Kritik, als er an Avenarius schrieb, dass
die „position von BMW, was karosseriedesign und produktdesign betrifft, nicht profiliert, selbstbewusst und selbständig genug“ sei. (S. 246)
Insofern ist der Untertitel des Buches: schwierige verteidigung des autos gegen seine anbeter vielleicht auch als indirekte Kritik an seinem damaligen Auftraggeber zu verstehen. Trotz alledem sind aus der zehnjährigen Zusammenarbeit viele weitere Projekte sowohl für BMW als auch für Otl Aicher entstanden. (Siehe auch Bibliographie.)
kritik am auto, 1984 (fotos: andreas görres)
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ist das auto ein zeichen?wir ringen heute um eine definition für das, was wir unter zeichen verstehen, weil wir in einer kultur der zeichen leben. was ist ein zeichen?natürlich ist ein auto auch ein zeichen. wir lesen es als zeichen. erst sein zeichencharakter erlaubt es uns, das auto zu klassifizieren, ihm inhalte und bedeutungen zu geben. erst als zeichen werden die dinge human, für den menschen integrierbar, man kann sich lebewesen vorstellen, die ihre umwelt als volumen oder als temperatur erfahren. unser bewußtsein ist ein augenbewußtsein.aber zeichen ist nicht gleich zeichen. es gibt nicht nur die dinge als zeichen, sondern auch zeichen, die aps einer kultur kommen, zeichen als konvention. ihre bedeutung ergibt sich aus einer übereinkunft. ein zylinder, der einmal ein hut war, ist nur noch zeichen eines status, als solcher sogar im verschwinden, der hut als kopfbedeckung bleibt aktuell, ein pfeil ist ein zeichen als bedeutungsträger geblieben, obwohl es den pfeil als waffe nicht mehr gibt. und ein einhorn oder ein greif sind tiere, die es nie gegeben hat. auch buchstaben kommen in der natur nicht vor, trotzdem gibt es falsche und richtige buchstaben. es gibt schreibfehler, druckfehler. so wie es schlechte und gute werkzeuge gibt. es gibt richtige und falsche bilder von dingen, zeichen sind nicht wertneutral. das maß ihrer qualität ist die übereinstimmung. entweder die übereinstimmung mit einem ding oder mit einer tätigkeit oder mit einer konvention.ein bläßlicher film gibt ein falsches bild der wirklichkeit. ein messer ist ein schneidobjekt und kein schraubenzieher. und ein wegweiser mit umgedrehtem pfeil ist eine irreführung. das klingt vielleicht plausibel und auch erschöpfend.aber die schwierigkeiten fangen damit erst an, wir sind in eine als-ob-kultur eingetreten und werden mit täuschungen überschüttet, auf der lebensmittelpackung wird einem ein produkt vorgeführt, das meistens in widerspruch zu ihrem inhalt steht. und wenn gewisse politiker frieden sagen, meinen sie das geschäft mit der rüstung, das gelegentliche kriege voraussetzt, das fördert die flucht in eine zeichenwelt eigener art. es gibt nämlich eine gruppe von zeichen, die außerhalb jeder konvention stehen, die für sich existieren ohne übereinstimmungen mit etwas, gewissermaßen ihre eigenen qualitäten darstellen. das sind farben, figuren wie quadrat und kreis, oder töne.der ausstieg aus einer kaputten welt läßt sich zweifels- ohne bewerkstelligen durch eine flucht in eine welt der farben, der musik und der figurationen. der grad der verdrehungen, täuschungen, irritationen kann ein ausmaß angenommen haben, wer weiß es, daß korrektur und erneuerung der zeichen als sinnlos erscheint und man sich in eine welt ohne realitäten stürzt, in eine welt der bloßen zeichen. man ist nicht mehr auf übereinstimmungen bedacht, eher auf provokationen, auf sinnkonflikte. denn die übereinstimmung eines zeichens mit seinem gegenstand ist sein sinn. genau der aber wird in frage gestellt. es gibt sinnlose autos. jede menge. so gibt es übergroße autos, straßenkreuzer, vorfahrtslimousinen, staatskarossen, blähungen einer blechkultur. und also fahren kulturzyniker gerade solche autos, oder man fährt das überholte auto, das demolierte, in jedem fall das entfremdete. kalifornien kann ganze museen füllen mit einem auf die straße gegangenen dadaismus.die autozivilisation hat ein großes repertoire, die widersprüche der welt zum zeichen zu erheben und sich zurückzuziehen in eine transzendenz des unsinns und des absurden. nur schließt sich damit wieder der kreis. das ganze hat sinn.der unsinn ist eine anklage der sinnlosigkeit. (S.68) |
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